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Geschichte Stasi-Einsatz im Rostocker Seehafen

Durchschnittlich waren 800 Spitzel im Seehafen aktiv.

Rostock – Dem Seehafen Rostock galt zu DDR-Zeiten das besondere Augenmerk der Staatssicherheit. Nach Recherchen des Rostocker Autors Siegfried Köhler arbeiteten im Hafen und in den dazugehörigen Abteilungen im Durchschnitt 800 Stasi-Spitzel. „Dieses Ausmaß der Bespitzelung hat mich selbst etwas erschlagen“, sagte Köhler im dapd-Interview. „Auch wenn ich mich bereits in der Vergangenheit mit der Thematik der Staatssicherheit in der Seefahrt befasst habe, hat mich dieses Ausmaß der Bespitzelung etwas erschlagen“, sagte Köhler.

Angst vor Spionage und vor Verlust von Betriebsgeheimnissen

Vor allem wegen der internationalen Kontakte im Hafen habe das Ministerium für Staatssicherheit (MfS) alles genauestens kontrollieren wollen, sagte Köhler. Das galt sowohl für die ausländischen Seeleute als auch für die heimischen Hafenmitarbeiter. „Die wollten wissen, wie sich die Leute verhalten, was sie denken und was ist ihre persönliche Einstellung ist“, erklärte Köhler. Das Misstrauen gegenüber den Bürgern des eigenen Staates sei durch die Angst vor Spionage oder vor dem Verrat von Betriebsgeheimnissen geschürt worden.

Zudem wollte man durch eine, wie es in den Akten der Stasi ausgedrückt wurde, „tiefgründige und allseitige“ Aufklärung verhindern, dass „Gegner“ oder „feindlich-negative Personen“ in höhere Positionen aufsteigen und somit in sicherheitsrelevante Bereiche eindringen können.

Anderthalb Jahre hat Köhler für seine Recherchen Dokumente gesichtet, darunter auch 17 durch Zufall ausgewählte Akten von Inoffiziellen Mitarbeitern (IM) der Stasi. Darin wurden nicht nur die persönlichen Einstellungen von den Kollegen festgehalten, sondern auch Alkoholmissbrauch oder Diebstahl.

Zu den Aufgaben der Staatssicherheit im Hafen gehörte auch die Überwachung der Einfuhr von Embargogütern, wie etwa Technik aus dem westlichen Ausland. Deren Import galt eigentlich als verboten. Ferner bot der Hafen laut Köhler eine gute Ausgangsbasis für die eigene Spionagetätigkeit der DDR in anderen Ländern.

Noch im April 1989 wurden neue IM angeworben

Die stattliche Präsenz der Stasi im Seehafen wurde bis zur Wende aufrechterhalten. 1989 arbeiteten knapp 5.850 Mitarbeiter im Hafen. Zur selben Zeit waren den Recherchen zufolge etwa 840 Spitzel eingesetzt. Noch im April jenes Jahres habe die Stasi versucht, neue Inoffizielle Mitarbeiter zu verpflichten, berichtete Köhler.

Die Ergebnisse seiner Recherche wird der 74-jährige Autor am Dienstag (19.02., 19.00 Uhr) in der Dokumentations- und Gedenkstätte in der ehemaligen Untersuchungshaftanstalt der Stasi in Rostock vorstellen. Es wird wohl sein letztes Buch sein, das er zu diesem Thema verfasst. Seine Arbeit war ihm auch aus persönlichen Gründen wichtig. „Ich bin selbst zur See gefahren, meistens auf Fährschiffen, die in Sassnitz und Warnemünde gestartet sind“, sagte Köhler.

Doch 1984 wurde ihm sein Seefahrtsbuch abgenommen, er verlor seine Arbeit. Der Grund war seine politische Einstellung, mit der die Stasi „wohl nicht ganz zufrieden war“. Köhler hofft, dass andere Autoren Recherchen zu dem Thema weiterführen werden, etwa zum Einsatz der Stasi bei der Deutschen Seereederei (DSR).

Sein Buch „Der Überseehafen Rostock unter Kontrolle der Staatssicherheit“ wird von der Landesbeauftragten für Mecklenburg-Vorpommern für die Stasi-Unterlagen herausgegeben. 2005 und 2007 verfasste Köhler bereits die Bücher „Die Staatssicherheit und der Fährverkehr über die Ostsee“ und „Die Fährverbindung Mukran – Klaipeda: Ein Sondervorhaben im Griff der Staatssicherheit“.

18.02.2013 - dapd / newsburger.de

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