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Studie Zuckersucht ist ein Ernährungsmärchen

160 Studien ausgewertet.

Swansea – Die Hypothese, Zucker könne süchtig machen, hält einer wissenschaftlichen Überprüfung nicht stand. Professor David Benton von der Swansea Universität in Großbritannien nahm alle gängigen Hypothesen und davon abgeleitete Vermutungen unter die Lupe. Er wertete 160 Studien aus und fand keinerlei Bestätigung. Damit wird die vermeintlich existierende Zuckersucht ins Reich der Ernährungsmärchen verwiesen.

Die Hypothese, Zucker könne auch Menschen körperlich abhängig machen, entstammt Versuchen an Ratten. Diesen hatten Forscher zwölf Stunden lang kein Futter gegeben und anschließend Laborfutter sowie wahlweise eine Zuckerlösung in unbegrenzter Menge angeboten. Nach einem Monat zeigten die Tiere Anzeichen einer Sucht. Sie nahmen beim ersten Angebot von Nahrung große Mengen an Zucker auf, was als „Fressanfall“ eingeordnet wurde. Spezielle Medikamente, die bei Drogensüchtigen Entzugserscheinungen auslösen, wirkten auch bei den Tieren entsprechend.

Die Wissenschaftler folgerten daraus, dass diese Beobachtungen an den Tieren auch Rückschlüsse auf den Menschen, zumindest auf Übergewichtige und Patienten mit einer sogenannten „Binge Eating Disorder“ (einer Essstörung mit periodischen Heißhungeranfällen), zuließen. „Keine der auf Grundlage des Tiermodells aufgestellten Hypothesen hinsichtlich einer Zuckersucht bestätigt sich für den Menschen“, so Benton. Drogenmissbrauch und alle „natürlichen Belohnungen“ führen im Gehirn zur Ausschüttung von Dopamin, aber die Reaktionsmuster unterscheiden sich. Messungen bei den Tieren hatten gezeigt, dass nach der Zuckeraufnahme im Gehirn der Botenstoff Dopamin ausgeschüttet wird, was auch nach Drogenkonsum der Fall ist.

Professor Benton zeigt auf, dass nicht nur nach dem Verzehr von etwas Schmackhaftem wie Zucker, sondern in Folge aller „natürlichen Belohnungen“ – dazu zählen angenehme Erlebnisse beim Musikhören, bei der Erwartung eines Gewinns, beim Anschauen eines freundlichen oder attraktiven Gesichts, beim Verliebt sein – eine Dopaminausschüttung messbar ist. Darüber hinaus gibt es wesentliche Unterschiede zwischen dem Reaktionsmuster des Gehirns auf Drogen und dem auf „natürliche Belohnungen“. Allein die Messung einer Ausschüttung des Botenstoffs reicht also nicht aus, um Gemeinsamkeiten nachzuweisen. Viele Lebensmittel können starkes Verlangen auslösen – nicht nur süße. Gesetzt den Fall, es gäbe eine körperliche Abhängigkeit von Zucker, müsste es, wie bei Drogen, ein starkes Verlangen nach Zucker geben.

Studien zeigen aber, dass viele Lebensmittel bei Menschen Verlangen auslösen – nicht nur süße, sondern auch pikante wie Hamburger, Würstchen und Brathähnchen. Nach Abstinenz – z. B. nach Diäten – treten seltener Heißhungerattacken auf, was laut der Sucht-Hypothese genau umgekehrt sein müsste. Typisch für eine Drogensucht ist, dass es nach Phasen der Abstinenz zu heftigem Verlangen und damit oft zu Rückfällen kommt. Nach der Sucht-Hypothese müssten sich also nach Diätphasen mit Verzicht auf Essen Heißhungerattacken verstärken.

Mehrere von Professor Benton ausgewertete Studien zeigen aber genau das Gegenteil: Nach einer Diätphase reduzieren sich Heißhungerattacken auf ein geringes Maß. Und es zeigt sich, dass starkes Verlangen nach Lebensmitteln eher mit Langeweile, Angstgefühlen und Verstimmung verbunden ist als damit, ein Lebensmittel schon länger nicht mehr gegessen zu haben. Eine Ernährung mit einem hohen Anteil an Energie aus Zucker ist nicht mit Übergewicht assoziiert. Wenn eine Sucht nach Zucker ein bestimmender Faktor für das Körpergewicht wäre, müsste es eine Verbindung zwischen dem Zuckerverzehr und dem Übergewicht geben.

Viele Studien zeigen auch hier das Gegenteil: Eine Ernährung mit einem hohen Anteil an Energie aus Zucker geht mit einem niedrigeren Körpergewicht einher. Patienten mit „Binge Eating Disorder“ erleben nach einer Diätphase weniger Essanfälle statt mehr, und Medikamente, die bei Drogensüchtigen Entzugserscheinungen hervorrufen, sind wirkungslos Auch bei Patienten, die an einer „Binge Eating Disorder“ leiden, lässt sich keine der Hypothesen, die bei ihnen eine Verbindung zu einer Zuckersucht vermuten, bestätigen: Nach einer Diätphase reduzieren sich auch bei diesen Menschen die Essanfälle anstatt anzusteigen. Selbst die Einnahme spezieller Medikamente, die bei Drogensüchtigen Entzugserscheinungen auslösen, bleibt bei Patienten mit dieser Essstörung ohne Folgen, d. h. Entzugserscheinungen in Form von Essanfällen gibt es nicht.

Aufgrund seiner Überprüfung mahnt Professor David Benton zur Vorsicht bei der Übertragung von Ergebnissen aus dem Tiermodell auf den Menschen und vor voreiligen Schlüssen. Tierversuche könnten lediglich dazu dienen, Hypothesen zu entwickeln, die aber in jedem einzelnen Fall anhand von Erkenntnissen aus Humanstudien überprüft werden müssten.

24.08.2010 - dts Nachrichtenagentur / newsburger.de

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