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E-Books Warum der Verleih unter seinen Möglichkeiten bleibt

Bibliotheken und Verlage streiten über Lizenzen.

Berlin – Der junge Mann im grauen Pulli schaut entgeistert auf den Computerbildschirm. „Entliehen bis April, zwei Mal vorgemerkt“, steht da. Er sitzt in der Staatsbibliothek zu Berlin, aber auch Nutzer anderer Bibliotheken kennen den Frust, wenn das ersehnte Buch nicht verfügbar ist. Abhilfe schaffen könnten elektronische Bücher, sogenannte E-Books: Man kann sie unbegrenzt vervielfältigen und schnell übers Internet verschicken – idealerweise auf einen E-Book-Reader.

Doch in der Praxis vermiesen Rangeleien zwischen Bibliotheken, Verlegern und den Herstellern digitaler Lesegeräte die elektronische Lektüre. Zwar haben viele Bibliotheken E-Books mittlerweile im Sortiment und reagieren auf die steigende Nachfrage. Allein an der Bayerischen Staatsbibliothek in München gibt es Hunderttausende E-Books. Und die Zentral- und Landesbibliothek Berlin verlieh im Januar über 11.500 von ihnen, rund 2.700 mehr als im Vorjahreszeitraum. Überall im Land wird die „Onleihe“ – das Ausleihen elektronischer Medien per Download – immer beliebter. Auch weil sie bequem und unabhängig von Öffnungszeiten ist.

Aber am grundsätzlichen Problem änderte sich bisher nichts. Egal ob E-Book oder Handschrift aus dem Mittelalter: Vergriffen ist vergriffen. „Man kann auch ein E-Book nur ausleihen, wenn kein anderer Nutzer es gerade hat“, sagt Monika Ziller, Vorsitzende des Deutschen Bibliotheksverbands (dbv). Dabei ist es technisch gar kein Problem, dass jeder Nutzer die elektronische Kopie eines Buches bekommt.

Doch eine unbegrenzte Ausleihe verhinderten die Verlage bisher mit starren Lizenzregelungen, sagt Ziller. Die Bibliotheken, die sich dafür immer häufiger zu Regionalverbünden zusammenschließen, wickeln die „Onleihe“ von Populärliteratur bisher über den Drittanbieter „DiviBib“ ab, der die Lizenzfrage mit den Verlagen regelt. Das System müsse endlich flexibler gestaltet werden und auf Nutzungszahlen, statt auf der Anzahl der Buchexemplare basieren, fordert die Bibliothekarin.

Die Verlage schieben den Schwarzen Peter zurück an die Bibliotheken. „Wir sind natürlich für eine Lizenzregelung, die auf den Nutzungszahlen basiert“, sagt Christian Sprang, Justiziar beim Börsenverein des Deutschen Buchhandels, dem Dachverband der Verlage und Buchhändler. Entscheidend sei die Höhe der Lizenzgebühren, die jeder Verlag selbst bestimme. Bisher waren die Angebote der Bibliotheken offenbar nicht hoch genug. Zudem würden E-Book-Mietmodelle teilweise von den Verlagen selbst oder von kommerziellen Plattformen angeboten, sagt Sprang. „Hier muss eine sinnvolle Abgrenzung zu den Bibliotheksangeboten gefunden werden.“

Nicht nur die Lizenzfrage, sondern auch das Problem des richtigen Dateiformats ist noch ungelöst. Die meisten Bibliotheken bieten elektronische Bücher als PDF-Dateien an, viele inzwischen auch im funktionaleren Epub-Format. Das läuft auf den Lesegeräten von Apple, Acer oder Sony. Das Nachsehen haben die Besitzer von Amazons Kindle, den das Online-Versandhaus laut einer Unternehmenssprecherin 2011 häufiger verkaufte als irgendein anderes Produkt. Kindle kann mit Epub nichts anfangen. Nur wer die Epub-Dateien mit spezieller Software verändert, kann die Bücher auf dem Kindle lesen und bewegt sich damit in einer rechtlichen Grauzone.

„Der Verleih von Kindle-Büchern ist in Deutschland bisher nicht möglich“, teilt Amazon mit. In den USA hingegen schon. Dort kooperiert das Unternehmen mit über 11.000 Bibliotheken. In Deutschland wird es noch einige Zeit dauern, bis es soweit ist. Schließlich sei der Kindle hier noch nicht mal ein Jahr auf dem Markt, betont die Amazon-Sprecherin.

Derweil kämpfen die Bibliotheksnutzer des 21. Jahrhunderts hierzulande weiter mit den alten Problemen. In Berlin ist Langenscheidt’s digitaler Grundwortschatz Englisch derzeit ebenso vergriffen wie die Schülerhilfe Chemie. „Wir halten uns krampfhaft am Realmodell fest“, klagt Bibliothekarin Ziller, „obwohl uns das Internet ganz andere Möglichkeiten bietet“. Die können aber nur genutzt werden, wenn sich die Bibliothekare mit den Verlegern endlich über die Lizenzen einigen können.

24.02.2012 - dapd / newsburger.de

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