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Festgenommen
© Alessandro Di Meo über dpa

Nach Flüchtlingsdrama Schleuser müssen mit Härte rechnen

Die Küstenwache in Italien stößt mittlerweile an ihre Grenzen.

Rom – Nach den jüngsten Flüchtlingskatastrophen im Mittelmeer müssen Schleuserbanden mit harten Konsequenzen rechnen.

Die EU-Kommission machte deutlich, dass sie vom Sondergipfel der Staats- und Regierungschefs grünes Licht für Pläne zur gezielten Zerstörung leerer Schleuserschiffe erwartet. In Italien wurden nach dem Unglück vom Wochenende mit vermutlich 800 Toten der Kapitän und ein Besatzungsmitglied festgenommen. Bei einer Verurteilung in Italien müssen sie sich auf lange Haftstrafen einstellen.

Die Staatsanwaltschaft wirft dem tunesischen Kapitän mehrfache fahrlässige Tötung, Herbeiführen eines Schiffbruchs und Begünstigung illegaler Einwanderung vor. Ein syrische Seemann muss sich nur wegen des Begünstigungsvorwurfs verantworten. Die mutmaßlichen Schleuser seien von Überlebenden identifiziert worden, sagte Staatsanwalt Giovanni Salvi in der Nacht zum Dienstag.

Bei dem Unglück in der Nacht zum Sonntag vor der libyschen Küste kamen nach neuen Angaben des UN-Flüchtlingswerks UNHCR etwa 800 Menschen ums Leben oder werden vermisst, darunter viele Flüchtlinge aus Eritrea, Somalia und Syrien. Die Staatsanwaltschaft erklärte, an Bord seien rund 850 Menschen gewesen. Wie viele Menschen bei dem wohl schlimmsten Flüchtlingsunglück auf dem Mittelmeer gestorben sind, wird wohl nie endgültig feststehen, da die Suche nach Vermissten bisher ergebnislos blieb und das Boot gesunken ist. Nach Aussagen von Überlebenden waren viele Menschen vermutlich im Laderaum eingesperrt.

Die italienische Küstenwache hat bisher 24 Leichen geborgen, die in Malta bestattet werden sollten. 28 Menschen überlebten, darunter auch die beiden Besatzungsmitglieder im Alter von 27 und 25 Jahren. Die meisten Überlebenden trafen am späten Montagabend mit dem Schiff „Gregoretti“ der italienischen Küstenwache im Hafen von Catania ein.

Laut Staatsanwaltschaft und UN-Flüchtlingswerk führten mehrere Faktoren zu dem Unglück: Vermutlich war das Flüchtlingsboot in der Nacht zum Sonntag mit einem portugiesischem Handelsschiff zusammengestoßen, das zu dem Zeitpunkt am Unglücksort war. Angeblich habe sich der Kapitän verstecken wollen, habe unvorsichtig manövriert und dabei die „King Jacob“ gerammt, berichtete das UNHCR unter Berufung auf Überlebende. Dann sei Panik ausgebrochen. Das überladene Schiff habe sich immer mehr zur Seite geneigt und sei dann gekentert.

Im Mittelmeer sind nach Angaben von Helfern seit Jahresbeginn 30 Mal mehr Flüchtlinge gestorben als im gleichen Zeitraum 2014. Insgesamt hätten 2015 bis zum 21. April rund 1750 Menschen bei dem Versuch das Leben verloren, auf dem Seeweg nach Europa zu fliehen, erklärte ein Sprecher der Internationalen Organisation für Migration in Genf.

Die Küstenwache in Italien stößt mittlerweile an ihre Grenzen, weil der Flüchtlingsstrom nicht abreißt. Jeden Tag müssen Hunderte Menschen gerettet werden. „Wir stehen vor einem epochalem Exodus und unsere Leute, die rund um die Uhr arbeiten, werden auf eine harte Probe gestellt“, sagte Admiral Giovanni Pettorino der Zeitung „La Repubblica“. „Viele sehen seit Monaten ihre Familien, ihre Kinder, nicht mehr, um die Kinder Anderer zu retten. Es ist eine noch nie dagewesene Aufgabe in der Geschichte unserer Marine.“

Die Pläne zur Zerstörung von Menschenschmuggler-Schiffen sollen am Donnerstag eines der Topthemen beim EU-Sondergipfel zu den Flüchtlingskatastrophen im Mittelmeer werden. Ziel einer solchen Einsatzes soll es sein, Schleuserbanden die Ausübung ihres Geschäfts zu erschweren. Über Details könne man aber derzeit noch keine Angaben nennen, sagte ein Kommissionssprecherin. Dazu gehöre neben der Mandatsproblematik auch die Frage, ob die Schiffe auf See oder an Land zerstört werden sollten.

Frankreichs Außenminister Laurent Fabius hatte am Montag angedeutet, dass auch ein Militäreinsatz direkt an der libyschen Küste nicht ausgeschlossen werde. Er sagte, die Schiffe sollten zerstört werden, bevor sie Flüchtlinge aufnehmen.

Nach Angaben der EU-Kommission haben an der Küste Libyens operierende Menschenschmuggler bereits jetzt nicht genügend Schiffe, um die zu Tausenden ankommenden Flüchtlinge schnell wegzubringen. Eine Zerstörungsaktion könnte verhindern, dass noch mehr Menschen eine lebensgefährliche Fahrt über das Mittelmeer in Richtung Europa wagen.

Als Vorbild für eine mögliche Militäroperation hatte die EU- Kommission bereits am Montag den erfolgreichen Anti-Piraterie-Einsatz Atalanta am Horn von Afrika genannt. Dieser schützt vor allem zivile Schiffe vor der Küste Somalias. Erlaubt sind aber auch Militäreinsätze gegen an Stränden gelegene Piratenlager.

21.04.2015 - dpa / newsburger.de

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