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Film Leonardo DiCaprio auf Oscar-Kurs

Clint Eastwood präsentiert mit “J. Edgar” ein schillerndes Porträt der FBI-Legende Edgar J. Hoover.

Berlin – J. Edgar Hoover war fast 50 Jahre lang der oberste Polizeichef der USA. Als Direktor des FBI überlebte er acht Präsidenten und war vielleicht mächtiger als diese. Regisseur Clint Eastwood liefert in seiner Filmbiografie “J. Edgar” eine farbige Charakterstudie des umstrittenen Überwachungsfanatikers, der nur seine Mutter fürchtete. Gespielt wird der Gangster- und Kommunistenschreck von Leonardo DiCaprio. Mit seiner brillanten Darstellung empfiehlt sich der einstige “Titanic”-Milchbubi als heißester Oscar-Anwärter.

Mit viel Latex auf den Hängebacken wandelt sich DiCaprio vom ehrgeizigen Jungspund, der in den frühen Zwanzigern im Justizministerium als Vertreter einer “harten Hand” auf sich aufmerksam machte, zum viel gehassten Strippenzieher in den Siebzigern, an dem kein Präsident vorbeikam.

Erzählt wird die Aufsteigerchronik in Rückblenden, während der alte Hoover einem jüngeren FBI-Mitarbeiter seine ruhmreichen Taten in die Feder diktiert. Hinter dem Selbstbild eines patriotischen Bürokraten, der unablässig äußere und innere Bedrohungen der USA an die Wand malt, schält sich das zweite Ich eines Mannes heraus, der sich mit einer damals verbotenen Neigung quälte.

Der 81-jährige Clint Eastwood erweist sich in seiner 33. Regiearbeit erneut als gediegener Handwerker, der mit lässiger Eleganz Fakten und Spekulation verknüpft. Der rote Faden dieser Filmbio ist Hoovers unausgelebte Homosexualität. Dieses Geheimnis, so suggeriert das Politdrama, führte vielleicht zu Hoovers Gespür für die Schwächen anderer. Mit seinen berüchtigten Privatdossiers über nicht nur, aber vor allem sexuelle Verfehlungen soll der alte Fuchs jahrzehntelang Politiker erpresst haben. Als Nixon 1972 die Nachricht von Hoovers Tod erhält, lässt er zuerst dessen Büros filzen, bevor er offiziell kondoliert.

Zartfühlend schildert Eastwood die unausgesprochene Männerliebe zwischen dem ewigen Junggesellen Hoover und seinem lebenslangen Stellvertreter und Begleiter Clyde Tolson; mehr als Händchen halten und versteckte Liebeserklärungen sind nicht drin. Im Gegensatz zum alten Hoover wirkt der schöne Armie Hammer mit seinem Senioren-Make-up allerdings so zombiehaft, das er fast zum Lachen reizt.

Im Vorzimmer waltet diskret Miss Helena Gandy – die beherrschte Naomi Watts -, die nach der Ablehnung von Hoovers Heiratsantrag seine ergebene Privatsekretärin wurde. Neben diesen drei grauen Eminenzen brilliert Judy Dench als Hoovers imposante Mama.

Spannend ist auch der Abriss der US-Kriminalgeschichte des frühen 20. Jahrhunderts. Damals war der Staat angesichts von Banden und anarchistischen Attentaten praktisch hilflos. Hoover baute mit seiner Agentenbrigade eine Superbehörde auf, die unter anderem John Dillinger das Handwerk legte. Sein lebenslanges Trauma aber war das Kidnapping des Lindbergh-Babys. Während der Ermittlungen begriff er die Möglichkeiten der Wissenschaft und wurde zu einem Pionier der Forensik. Mit seinem “Chemiebaukasten”, wie tumbe Lokalsheriffs die neue Methode abtaten, ließ er Fingerabdrücke und Indizien untersuchen. Nebenbei verwanzte er die Schlafzimmer seiner Gegner.

Zaghafte Fragen nach der Legalität seiner Aktivitäten wischte der FBI-Direktor beiseite. Mit Razzien gegen Kommunisten erwarb er sich einen Ruf als Kalter Krieger, der sich auch vom liberalen Justizminister Robert Kennedy nicht in die Suppe spucken ließ. Zwar kommen ausgiebig Hoovers Ruhmsucht und steigende Paranoia – so schrieb er zum Beispiel Martin Luther King hasserfüllte anonyme Briefe – zur Sprache. Doch Eastwood, einst als “Dirty Harry” zum Star aufgestiegen, betrachtet Hoover und seine schmutzigen Tricks vielleicht eine Spur zu milde. Dennoch bringt sein unterhaltsames Porträt dem Zuschauer Hoovers schillernden Charakter und seine Epoche näher.

(“J. Edgar”, USA 2011, 136 Minuten, FSK: 12, Verleih: Warner Bros., Regie: Clint Eastwood, Darsteller: Leonardo DiCaprio, Naomi Watts, Armie Hammer, Josh Lucas, Judi Dench u.a.)

Kinostart: 19. Januar

14.01.2012 - dapd / newsburger.de

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