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Gipfel EU-Streithähne holpern zu Haushaltsbeschluss

Etat schrumpft erstmals auf 960 Milliarden Euro zusammen.

Brüssel – Zwei zermürbende Tage, eine durchwachte Nacht und viele selbst ernannte Gewinner mit tiefen Augenringen: Nach 26 strapaziösen Verhandlungsstunden haben die Staats- und Regierungschefs der EU einen neuen Gemeinschaftshaushalt bis zum Ende des Jahrzehnts gezimmert und dabei Geschichte geschrieben. Wegen des krisenbedingten Sparzwangs schrumpft der Unionsetat erstmals zusammen – auf 960 Milliarden Euro. Die drohende Bruchlandung wurde abgewendet und der britische Premier David Cameron doch noch besänftigt. Nur das EU-Parlament könnte jetzt noch einen Strich durch die Rechnung machen.

Trotz widriger Vorzeichen gelang Gipfelchef Herman Van Rompuy letztlich doch die Quadratur des Kreises: Er pferchte die sparwütigen Nettozahlerstaaten Großbritannien, Schweden, Deutschland und die Niederlande in ein Boot mit stolzen Agrarnationen wie Frankreich und hilfsbedürftigen Krisenstaaten im Süden und Osten Europas, allen voran Polen. Am Ende stand ein im Vergleich zur vorherigen Sieben-Jahres-Periode 2007 bis 2013 um drei Prozent eingedampfter Etat. Für die Bezahlung tatsächlich anfallender Rechnungen werden zudem nur noch 908,4 Milliarden Euro bereitgestellt – 32 Milliarden Euro weniger als zuvor.

Alle 27 unter einem Hut

Das Schreckensszenario eines weiteren Totalfiaskos wurde gebannt, statt jährlich aufs Neue verabschiedeter Ein-Jahres-Haushalte steht nun ein langfristiger Finanzierungsrahmen. Es sei „sehr, sehr wichtig, dass wir jetzt einen Schritt Richtung Klarheit für 2020 gemacht haben“, zeigte sich Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) erleichtert. „27 unter einen Hut zu bringen ist nicht einfach.“ Frankreichs Staatspräsident François Hollande beschrieb das Etatvolumen als „das Ziel, das ich mir gesetzt hatte – und das Maximum, was zu erreichen war“. Insbesondere sicherte er seinen Bauen die Milliardenschweren Agrarbeihilfen.

Die deutschen Nettobeiträge steigen laut Merkel von rund 0,35 auf 0,37 Prozent des Bruttonationaleinkommens an, etwa 10,5 Milliarden Euro jährlich. Die Balance habe sich „etwas verschlechtert“, so die Kanzlerin, denn „Deutschland war bemüht, nicht nur die eigenen Wünsche im Auge zu haben“. Immerhin konnte sie für die ostdeutschen Regionen, die aus der EU-Höchstforderung herausfallen, ein Sicherheitsnetz von gut 60 Prozent der bisherigen Kohäsionshilfen aushandeln – und wie Cameron ihre Rabatte sichern.

Um nach dem Briten und dem Franzosen jetzt auch noch das Parlament ins Boot zu holen, werde Berlin aber auch seine langjährige Blockade aufgeben und akzeptieren, dass nicht verbrauchte EU-Mittel künftig nicht „durch die Hintertür“ in die Staatskasse zurückflössen, sondern in Europa ausgegeben werden könnten, sagte die Kanzlerin. Das ist eine zentrale Forderung des EU-Parlaments, um die 52-Milliarden-Lücke zu schließen, die zwischen Finanzierungsdeckel und tatsächlichen Zusagen klafft.

„Das wird das Parlament nicht akzeptieren“

Parlamentschef Martin Schulz hatte den Gipfel-Akteuren ein „ziemliches Täuschungsmanöver“ vorgeworfen, weil sie durch die geringen Zusagen das Budget in ein strukturelles Defizit trieben. „Das wird das Parlament nicht akzeptieren“, sagte er – und wird dabei von allen großen Parteifamilien gestützt. Doch setzt Merkel auf eine Lösung des Streits. Neben einer „hohen Flexibilität“, wonach nicht ausgeschöpfte Mittel künftig nicht verfallen, sondern in andere Projekte oder in künftige Rechnungen gesteckt werden, will sie sich auch für eine Revisionsklausel starkmachen. Nach zwei Jahren soll geprüft werden, ob die Mittel ausreichen.

Kommissionschef José Manuel Barroso war „nicht ganz zufrieden“ mit dem Ergebnis. Seine Behörde hatte fast 90 Milliarden Euro mehr gefordert. Einverstanden gab sich hingegen Bundeslandwirtschaftsministerin Ilse Aigner (CSU): „Heute ist ein guter Tag für die Landwirtschaft und für die Verbraucher in Deutschland.“ Die Bauern hätten jetzt Planungssicherheit und ein stabiles Fundament für die Zukunft. Dass bei den Bauernsubventionen nur geringe Abstriche gemacht wurden, sorgte aber auch für Unmut. „Anstatt in Innovation zu investieren, werden EU-Ausgaben-Dinosaurier wie der Agrarbereich weiter alimentiert“, sagte der FDP-Europaabgeordnete Alexander Alvaro.

Mit dem Parlament stehen Merkel und ihren Kollegen nun harte Verhandlungen bevor. Dennoch überwog am Freitag die Erleichterung, dass sich die 27 Streihähne zusammenraufen konnten – auch wenn es einen enormen Kraftakt verlangte. Den Verhandlungsmarathon und die etwas chaotische Gipfelchoreografie Van Rompuys nahm die Kanzlerin mit Humor. Vor der Geschichte würden die zwei durchverhandelten Tage bald „zu einer kurzen Zeitspanne verschmelzen“.

08.02.2013 - dapd / newsburger.de

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