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Egon Günther Von der Zensur in der DDR verfolgt

Der Filmregisseur Egon Günther feiert seinen 85. Geburtstag.

Berlin – Im DEFA-Film „Die Schlüssel“ unternimmt ein junges Liebespaar eine Urlaubsreise nach Krakau, um sich näher kennenzulernen. Regisseur Egon Günther thematisierte in dem Drama, das 1972, im Jahr der Grenzöffnung zwischen der DDR und Polen entstand, auf vielschichtige Weise das Verhältnis der Deutschen zu dem Nachbarland. „Die Schlüssel“ sei bis heute sein liebster und wichtigster Film unter seinen über 30 Filmarbeiten, sagt Günther, der am Freitag (30. März) seinen 85. Geburtstag feiert, im dapd-Gespräch.

In dem Film mit Jutta Hoffmann und Jaecki Schwarz in den Hauptrollen der Fabrikarbeiterin und des begabten Mathematikstudenten experimentierte Günther nicht nur kühn mit Spiel- und Dokumentarszenen. Er nutzte seine Inszenierung auch, um über den Kampf der politischen Systeme in der Gegenwart und die Verantwortung der Menschen in Deutschland und Polen der Nazizeit nachzudenken. Prompt kritisierte die polnische Regierung den Film. Auch nach Änderungen blieb „Die Schlüssel“ vorerst verboten, kam 1974 dann zur Aufführung, um schließlich 1980 nach der Grenzschließung zwischen der DDR und Polen endgültig im Giftschrank zu landen.

Filme mit aktuellen Themen werden Opfer der Zensur

„Nach ‚Die Schlüssel‘ saß ich beruflich auf dem Trockenen. Es war mir zu unsicher, ein neues Projekt anzufangen“, erinnert sich der in Groß Glienicke bei Potsdam lebende Günther. Denn es war nicht der erste Fall von Zensur für den Künstler. Ursprünglich hatte der 1927 im erzgebirgischen Schneeberg geborene Günther sich zum Schlosser und Konstruktionszeichner ausbilden lassen. Nach dem Krieg studierte er Pädagogik, Germanistik und Philosophie in Leipzig, wurde erst Lehrer, dann Lektor beim Mitteldeutschen Verlag in Halle und schließlich selbst Schriftsteller. Die Literatur blieb für ihn stets eine notwendige Ergänzung seiner Filmarbeit. Er schrieb Romane wie „Flandrisches Finale“ (1955) und später „Rückkehr aus großer Entfernung“ (1971) und „Einmal Karthago und zurück“ (1974).

1958 kam Günther zunächst als Dramaturg zum DEFA-Studio für Spielfilme und schrieb mit der Märchenbearbeitung „Das Kleid“ 1961 sein erstes Drehbuch. Kurz nach dem Mauerbau wurde die freche Parabel jedoch schnell ein Opfer der Zensur.

Das gleiche Schicksal traf den Kriminalfilm „Die schwarze Limousine“ (1963). Weil ein Teil der Handlung in Israel angesiedelt ist, durfte der Film 1968 infolge des Sechs-Tage-Krieges zeitweilig nicht mehr gezeigt werden. Die Gesellschaftssatire „Wenn du groß bist, lieber Adam“ (1966) wurde bereits vor der Fertigstellung verboten. Die Folge: Zwei Jahre konnte Günther keinen weiteren Film realisieren. Auch „Abschied“ (1968), basierend auf dem autobiografischen Roman des DDR­Kulturministers Johannes R. Becher (1891-1958), fiel in Ungnade.

Rückzug auf historische Stoffe

In den Folgejahren zog sich Egon Günther auf historische Literaturverfilmungen zurück und adaptierte Arnold Zweig („Junge Frau von 1914“, 1969, und „Erziehung vor Verdun“, 1973), Thomas Mann („Lotte in Weimar“, 1974) und Johann Wolfgang von Goethe („Die Leiden des jungen Werther“, 1978). Rückblickend ist Egon Günther immer noch erstaunt, dass er diese Projekte verwirklichen konnte. „Ich hatte das Gefühl, in ein Reich der Freiheit geraten zu sein und habe dies überschätzt“, erzählt er. Er habe nie den Wunsch gehabt, Einsicht in seine Stasi-Akte zu nehmen. „Ich möchte nicht wissen, auf welches Messers Schneide ich damals vielleicht balanciert bin, weil ich glaubte, mich nicht fürchten zu müssen.“

1977 trat Egon Günther als Präsidiumsmitglied aus dem Verband der Film­ und Fernsehschaffenden der DDR aus. Im Jahr darauf siedelte er in die Bundesrepublik über, blieb aber DDR-Bürger. „Ich hatte einen Ost- und einen Westpass, pendelte zwischen den beiden Staaten und wusste doch jedes Mal nie genau, ob man mich tatsächlich auch würde wieder zurück nach Glienicke fahren lassen“, schildert Günther seine damalige Ausnahmesituation.

In der Bundesrepublik machte er vor allem mit zwei aufwendigen Fernsehmehrteilern auf sich aufmerksam: „Exil“ (1980) nach dem Roman von Lion Feuchtwanger und der Adaption von Siegfried Lenz’ „Heimatmuseum“ (1988). 1990 drehte er in der untergehenden DDR den Film „Stein“, eine späte Rückkehr zu den DEFA-Studios, an denen er seit seiner Übersiedlung in den Westen keinen Film mehr hatte drehen können.

25.03.2012 - dapd / newsburger.de

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